Samichlaus Seebach
Die Legende von Sankt Nikolaus
Der Schneidermeister schüttelte den Kopf. Es war nicht Brauch, dass man vornehmen Kindern Taschen auf die schönen Gewänder setzte. Weil aber Nikolaus so sehr darum bat, kletterte er doch auf den Tisch, kreuzte seine Beine, nahm Faden und Nadel zur Hand und begann zu arbeiten. Er schnitt und nähte den lieben, langen Tag.

Vergnügt schlüpfte Nikolaus in seinen weiten, roten Mantel und spazierte im Abendsonnenschein durch den Garten. Er schüttelte Nasse von den Blumen, pflückte Granatäpfel und Mandarinen und füllte damit seine neuen Taschen.

Zum zweitenmal an diesem Tag schlich er sich hinaus, schritt durch die vornehmen Strassen der Stadt, dorthin, wo in engen Gassen die Kinder der Armen herumhockten und spät noch spielten. Er griff in seine vollen Taschen, warf die Früchte und Nüsse hoch in die Luft und liess sie unter die hungrigen Kinder falllen. Die stürzten sich voller Freude auf all die herrlichen Dinge, und ehe sie sich umsahen, war Nikolaus verschwunden.

Als er zu Hause anlangte, war er so müde, dass er sofort einschlief. Da erschien ihm im Traum seine Mutter. Ihre Gestalt war von blendendem Licht umflossen. Ihr Gesicht leuchtete. Dreimal nickte sie ihm zu, lächelte und verschwand. Als Nikolaus erwachte, schlug sein Herz warm vor Glück. Die grosse Traurigkeit war wie weggewischt. Wenn Nikolaus wieder einmal traurig war, füllte er seine Taschen, bepackte seinen Esel und zog zum Stadttor. Er führte die blinden Bettler an die Sonne, speiste die Hungrigen und beschenkte die Kinder. Froh kehrte er dann nach Hause zurück.